Smart Farming für den Green Deal

Wie der Tulpenzwiebelanbau sich verändert

Nordholland

Nordholland ist eine der zwölf Provinzen der Niederlande. Mit 12.000 Hektar verfügt die Region über das größte zusammenhängende Blumenzwiebelanbaugebiet der Welt. Neben Global Playern gibt es auch Raum für kleine, lokale Unternehmen. Viele der Tulpenzwiebeln, die hier auf den Feldern geerntet werden, kommen in die Schnittblumenproduktion. Diese findet zwischen November und Mai fast ausschließlich unter Glas statt.

Im Rahmen des European Green Deal und vieler nationaler Programme u.a. zum Gewässerschutz gehen die Tulpengärtner der Region das Thema Umweltschutz seit einigen Jahren sehr engagiert an. Unterstützung erhalten sie dabei von Greenport Noord-Holland Noord, einem Netzwerk in der Provinz Nordholland, in dem Unternehmen, Behörden und Wissensinstitutionen eng zusammenarbeiten, um den Landwirtschafts- und Gartenbau-Sektor zukunftssicher zu machen.

Gewächshaus

Bei der Schnitttulpenproduktion unter Glas hat sich bereits einiges bewegt: Die Gewächshäuser werden heute beispielsweise überwiegend mit Solar oder Erdwärme geheizt. Gegossen wird ressourcensparend mit Regenwasser, geschlossene Kreislaufsysteme halten den Verbrauch gering. Pflanzenschutzmittel werden bei dieser Art des Schnitttulpenanbaus fast nicht mehr gebraucht. Anders sieht es da häufig noch auf den Feldern aus. Um auch hier zukünftig noch stärker im Einklang mit der Natur qualitativ hochwertige Blumenzwiebeln produzieren zu können, beginnt man derzeit traditionelle landwirtschaftliche Praktiken zu verändern und setzt vermehrt auf Technologie und Künstliche Intelligenz (KI).

Mit Robotern gegen Krankheiten und Unkräuter

Ein Tulpengärtner aus der Region Nordholland, der bereits einen KI-gesteuerten Roboter auf den Feldern im Einsatz hat, ist Stef Ruiter. Sein Unternehmen „J.C.J. Ruiter-Wever” hat es sich zum Ziel gesetzt, dem Handel bereits ab Dezember einen umfangreichen Farbmix an Schnittblumen zu liefern. Damit ein möglichst vielseitiges Sortiment von Anfang bis Ende der Tulpensaison geboten werden kann, finden sich etwa 30 Sorten im Programm. Der Großteil der benötigten Zwiebeln stammt aus eigenem Anbau, um die Qualität des Ausgangsmaterials bestmöglich im Griff zu haben. Da der Nachhaltigkeitsgedanke für das Unternehmen schon lange eine wichtige Rolle spielt, setzt man dabei auf das Konzept des „integrierten Anbaus”.

Roboter auf Tulpenfeld

Das heißt, der Einsatz von Pestiziden und Herbiziden ist auf ein Minimum reduziert. Sie werden nur dann verwendet, wenn tatsächlich ein wirtschaftlicher Schaden droht. Aus diesem Grund und weil Ruiter sich für zukunftsorientierte Technik begeistert, investierte er in den Robot One. Der hochmoderne Agrarroboter wurde von Pixelfarming Robotics entwickelt, die ihren Sitz am Campus Almkerk in den Niederlanden haben. Derzeit arbeitet man noch an der Marktvalidierung. Der solarbetriebene Helfer fährt dank 14 Spezialkameras und zwei GPS-Antennen autonom durch die Felder. Auf dem Dach sind Solarpaneele montiert, die seine Batterie während der Fahrt aufladen. Durch die Leichtbauweise kann er die verschiedensten landwirtschaftlichen Gelände bewältigen. Robot One ist in der Lage, Pflanzen präzise zu erkennen und zu klassifizieren. Seine zehn steuerbaren Arme lassen sich mit einer Vielzahl an Werkzeugen bestücken und unabhängig voneinander einstellen – angepasst auf Reihenbreite einer Kultur und gewünschte Arbeitstiefe. So ist durch den millimetergenauen Einsatz von Lasertechnik beispielsweise chemiefreie Unkrautbekämpfung möglich. Die unerwünschten Gewächse werden einfach mittels elektromagnetischer Wellen weggebrannt, ohne dass die benachbarten Tulpen Schaden nehmen.

Auf vergleichbare Weise bewegt sich der Roboter von H2L Robotics durch die Tulpenfelder des Familienunternehmens „Smit Flowers” in Spierdijk, das in dritter Generation von Arjan Smit geleitet wird. Die Aufgabe, die das Gerät hier übernimmt, ist allerdings eine andere. Hightech-Kameras scannen jede einzelne Blume. Das kollektive Wissen erfahrener Tulpenzüchter wurde auf das KI-Modell des H2L Roboters übertragen und ermöglicht es, diejenigen, die von einem Virus infiziert sind, von gesunden Pflanzen zu unterscheiden. Die passende Behandlung übernimmt der Roboter dann auch sofort und verabreicht ein Pflanzenschutzmittel exakt dort, wo es benötigt wird. Das verhindert die Ausbreitung von Krankheiten und macht ein großflächiges Ausbringen von chemischen Substanzen überflüssig. Da er an der Unterseite mit LED-Leuchten ausgestattet ist, kann der Tulpendoktor auch nachts seine Runden drehen.

Tulpenstrauß

Roboter wie diese sind eine wichtige Innovation im Spezialgebiet des Tulpenanbaus und unterstützten die Gärtner beim Übergang zur regenerativen Agrarwirtschaft und zum Präzisionsgartenbau. Noch sind sie mit einem Preis von etwa 200.000 bis 300.0000 Euro relativ teuer und nicht jedes Unternehmen wird sich den Einsatz sofort leisten können. Aber wie es mit allen technischen Neuheiten ist, sinkt auch hier der Anschaffungswert wahrscheinlich in den kommenden Jahren und die Anzahl der Funktionen der einzelnen Robotermodelle wird noch deutlich zunehmen. Ob sie nun erkrankte oder von Schädlingen befallene Pflanzen und Zwiebeln gezielt behandeln oder aus den Feldern entfernen, Unkräuter mechanisch, mit Lasern oder mit punktgenauem Herbizideinsatz bekämpfen, erhobene Bilddaten der Anbauflächen speichern und auswerten – die KI-gesteuerten Roboter werden die Landwirtschaft und den Gartenbau zukünftig verstärkt dabei unterstützen, sowohl die Qualität und den Ertrag der Ernte zu verbessern, als auch durch das verminderte Ausbringen von Chemikalien die Umwelt – insbesondere das Bodenleben – zu schonen.