Als Blumenzwiebeln so teuer waren wie Gold und Edelsteine

Tulpomanie

In jedem Wirtschaftsseminar zum Thema Krisen und Spekulationsblasen wird man heute auf die sogenannte Tulpomanie stoßen, die im 17. Jahrhundert zahlreiche Niederländer zu richtigen Zockern machte. Ob Adel, Bürgertum, Gelehrte oder Handwerker – aus fast allen sozialen Schichten investierten die Menschen ihr Vermögen in Blumenzwiebeln, denn damit – so schien es zumindest – ließen sich unheimlich schnell und leicht große Gewinne erzielen. Auf Dauer konnte das nicht gutgehen: 1637 kam es zum gewaltigen Crash und der Markt brach komplett zusammen. Das bedeutete den finanziellen Ruin für viele Beteiligte. Aber wie konnte es dazu kommen?

Rote Tulpen

Die ursprüngliche Heimat der Tulpe liegt wahrscheinlich in Persien oder im Schwarzmeer-Gebiet. Von dort wurden die Zwiebeln schon früh nach Konstantinopel, dem heutigen Istanbul gebracht. Hier konnten sie erfolgreich vermehrt werden und so nahm die Pflanze schon bald eine bedeutende Rolle in der osmanischen Gartenkultur ein. Bereits während der Regentschaft Süleymans des Prächtigen (1520-1566) entwickelte sich ein lebhafter Handel mit den blühenden Schönheiten. Ein Diplomat, der Flame Ghislain de Busbecq, brachte 1554 die ersten Zwiebeln mit ins westliche Europa. In Wien überreichte er sie Carolus Clusius, einem der bedeutendsten Botaniker seiner Zeit. Als dieser 1575 an die neu gegründete Universität Leiden berufen wurde, nahm er Zwiebeln dieser Exoten für den geplanten Botanischen Garten mit. In den Niederlanden entwickelten sich die Tulpen besonders gut, da der sandige Boden und die Klimaverhältnisse ihren Ansprüchen sehr entsprachen. In kurzer Zeit züchtete man viele neue Sorten, die den Grundstein für einen im wahrsten Sinne des Wortes blühenden Wirtschaftszweig legten.

Wirtschaftliche Blütezeit

Geflammte Tulpe

Zu Beginn des 17. Jahrhunderts standen die Niederlande auf der Schwelle zu einem goldenen Zeitalter und waren drauf und dran sich zur größten Wirtschaftsmacht der Welt zu entwickeln. An der Börse wurde damals bereits über ein Wechselsystem weitgehend bargeldlos gehandelt. Immer mehr Menschen gingen nicht-agrarischen Tätigkeiten nach und zogen in die Städte. Auch kulturell war dies eine Blütezeit, in der bedeutende Maler Bilder für die Ewigkeit schufen. Die exotischen Tulpen, die so rar und kostbar waren, entwickelten sich von einem Sammlerobjekt zu einem Statussymbol und schließlich zu einer begehrten Handelsware für Spekulanten. Einige seltene Sorten waren damals teurer als Gold und Edelsteine. So kostete eine Zwiebel der ‘Semper Augustus‘, deren weiße Blütenblätter rot geflammt sind, gegen Ende der Tulpomanie rund 10.000 Gulden. Das entsprach in etwa dem Preis eines Amsterdamer Stadthauses in bester Lage.

5. Februar 1637

Wer auch immer die Möglichkeit hatte, versuchte in dieser Zeit in das Tulpengeschäft einzusteigen. Die Züchter bemühten sich noch intensiver, neue, interessante Sorten zu ziehen und die Spekulanten handelten immer häufiger mit Zwiebeln, die noch gar nicht geerntet waren – eine frühe Form des Terminkontrakts war geboren. Das Risiko für den Käufer war dabei extrem hoch, denn es ließen sich keine verbindlichen Aussagen über Aussehen oder Blühzeitpunkt der Pflanzen treffen. Auch gab es jetzt immer mehr Betrüger, die einfache Tulpenzwiebeln als vermeintlich kostbare Exemplare anboten. Am 5. Februar 1637 kam schließlich das böse Erwachen: Bei einer Versteigerung in Haarlem konnte keine der angebotenen Blumenzwiebeln zu dem erwarteten Preis verkauft werden. In den folgenden Tagen brach daraufhin in den gesamten Niederlanden der Tulpenmarkt zusammen. Der Wert der Zwiebeln fiel um mehr als 95 Prozent. Tausende verloren innerhalb kürzester Zeit ihr gesamtes Vermögen.

Tulpenstrauß

Um Chaos zu vermeiden, musste der Staat sogar mit Regulierungsmaßnamen eingreifen. Die Tulpomanie wird als die erste relativ gut dokumentierte Spekulationsblase der Wirtschaftsgeschichte angesehen und wird darum bis heute von Ökonomen analysiert. Schaut man auf die Finanzkrisen der letzten Jahre, so scheint es, als hätten wir aber nicht viel daraus gelernt …

Dem Image der Tulpe hat der Zusammenbruch des Marktes nicht geschadet. Ganz im Gegenteil: Unaufhaltsam entwickelte sie sich in den folgenden Jahren zu einem echten Nationalsymbol der Niederländer und einem der wichtigsten Wirtschaftsgüter. Milliarden Zwiebeln und Schnittblumen werden heute in die ganze Welt exportiert. Jetzt im Frühling gibt es die bunten Sträuße auch bei uns wieder überall zu kaufen. Und zum Glück muss man dafür kein Vermögen mehr ausgeben.